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Body-Positivity: Schluss mit dem Wahn zur Körper-Selbst-Optimierung

Simone Jacob spricht über Bosy-Positivity

(Foto: Simone Jacob, IG @simone_i_jacob)

In letzter Zeit gibt es kaum ein Shooting, an dem ich nicht mit Curvy Models zusammen arbeite. Ich freue mich über jedes einzelne Plus-Size-Model und Plus-Size heißt heute ab Kleidergröße 40 aufwärts und nicht wie in den 80er Jahren Kleidergröße 38. Bestager wie ich und Curvies waren in der Mode damals nicht existent. Man tat so, als kämen Frauen altersmäßig nur bis 30 und in Kleidergröße 34/36 vor.

Auch in meiner Arbeit als Bildhauerin huldige ich der weiblichen Form und Fülle und ich liebe es, voluminöse Frauenkörper darzustellen.

Heute ist Frau endlich in jeder Form, Farbe und Größe in der Fashion-Industrie angekommen. Neusprachlich nennt man das „Diversitiy“! Immer mehr Marken zelebrieren diesem Zeitgeist in ihren Werbekampagnen. Sei es nun aus innerer Überzeugung oder einfach nur um mit dem Trend zu gehen. Egal weshalb! Ich finde es großartig wenn Werbe-Botschaften verkünden:

„Ihr Frauen seid richtig so wie ihr seid – auch ohne Idealmaße.“

Das erfolgreiche, amerikanische Curvy Model Ashley Graham (13,9 Mio Follower), die deutsche Influencerin Melodie Michelberger (59,5 Tsd. Follower) oder die australische Comedienne Celeste Barber (8,2 Mio Follower), die sich mit ihrem untrainierten Plus-Size-Body schonungslos ehrlich über die geschönten Inszenierungen von Models und Celebrities lustig macht, sprechen vielen Frauen aus der Seele. Sie haben genug von Frauen-Darstellungen, die mit dem realen Leben nichts zu tun haben und haben es satt ihre Körper zu quälen, nur um einem von Männern gemachten Frauen-Ideal zu entsprechen. Sie wollen raus aus einer Spirale der unerbittlichen Körper-Zensur, die meist in einer Abwertung, Selbstverurteilung und manchmal sogar in Selbsthass bis hin zu Magersucht und Bulimie führt.

Die Wirkung der neuen Body-Positivity ist mächtig. Dennoch gibt es noch viel zu tun, denn das „Ja“ zum eigenen Körper mit all seinen vermeintlichen Macken, ist leider noch nicht bei allen Frauen angekommen. Neben Ashley, Melodie und Celeste findet man auf Instagram zuhauf Teenies, die dem perfekten Selbstbild sogar noch stärker nachjagen, als meine Generation vor 40 Jahren.

Sie stellen sich zur Schau wie eine form- und perfektionierbare Ware. Um dem Beauty-Traum nachzukommen, sind die Fotos meist mit Filtern geschönt, manchmal hat das Original schon mit Unterspritzungen und Skalpell nachgeholfen. Wespentaille, knackiger Po, dellenfreie Beine bis zum Himmel, Six-Pack-Bauch, verführerische große Augen, kleine Nasen, schmollender Mund. Sie zeigen, dass es noch ein weiter Weg ist, bis wir Frauen uns keinem Schönheits-Diktat mehr unterwerfen. Gemacht von Männern, bedient von uns Frauen. Ich stelle mir vor, was für ein Druck auf diesen jungen Mädchen lastet, mitzuhalten in diesem unerbittlichen Wettbewerb um Perfektion. Was treibt sie an? Die Sehnsucht zu gefallen? Geliebt zu werden, vor allem vom Mann?

Mal ehrlich, würden wir Frauen, ohne Männer, dieses Beauty-Theater mitmachen? Was wären dann unsere Schönheits-Ideale? Würde Schönheit überhaupt noch eine Rolle spielen?

Wir finden Ausnahme-Frauen wie Ashley, Michelle und Celeste toll, die sich trauen ihren unperfekten Körper zu mögen, gar zu feiern. Aber sie sind eben noch Ausnahmen, denn sonst würde ja niemand über sie sprechen. Wir sind begeistert von ihrer Body-Positivity, aber wie positiv fühlen wir uns in unserem eigenen Körper? Schämen wir uns immer noch in Grund und Boden, wenn wir im Bikini am See liegen? Wegen der Cellulite, der grauen Haare, der schwabbeligen Taille, den zu dicken Oberschenkeln, den hängenden Brüsten, den Dehnungsstreifen? Wir finden uns zu dünn, zu dick, zu groß, zu klein, zu hellhäutig, zu dunkelhäutig, zu alt. Auf jeden Fall NIE PASSEND!

Simone arbeitet an ihrer Marmorskulptur einer fülligen Frau - ihr Beitrag zum Thema Body-Positivity
Auch in meiner Arbeit als Bildhauerin huldige ich der weiblichen Form und Fülle und ich liebe es, voluminöse Frauenkörper darzustellen.
(Foto: Simone Jacob, IG @simone_i_jacob)

Body-Positivity scheint nur für die anderen zu gelten. Die Ausnahmen, die starken Frauen. Sie sind seltene Tiere im Zoo. Wir starren sie an, bewundern sie und sind ganz ihrer Meinung. Nur den eigenen Körper zu lieben, das bekommen wir leider immer noch nicht hin.

Lieber noch eine Diät, mehr harte Trainings-Sessions und ein weiterer Verzicht auf das Frühstück, das Mittagessen und manchmal auch auf das Abendessen. Will Frau schön sein, heißt das für uns: LEIDEN, OPFER BRINGEN. Nach dem Motto: Ohne nix gibt’s eben nix. Zumindest keinen Traumbody.

Unfair daran ist, dass sich die meisten Frauenkörper endlos quälen und am Ende trotzdem nie wie Claudia Schiffer, Gisele Bündchen oder Cindy Crawford aussehen werden. Ab einem gewissen Punkt scheitert der ganze Body-Optimierungs-Wahn ganz einfach an unseren Genen. Deshalb hilft nur:

Den Körper annehmen, koste es, was es wolle!

Damit meine ich nicht AUFGEBEN! Natürlich ist es richtig und wichtig auf seinen Körper zu schauen und dieses kostbarste Gut, das wir besitzen, zu pflegen und zu hegen, aber eben in Grenzen. Immer mit dem Blick darauf, was dieser, mein einzigartiger Körper, überhaupt leisten kann und was ihm gut tut.

Daran sollten wir arbeiten. An unserer Selbstliebe, unserer Selbstakzeptanz und Großzügigkeit uns selbst gegenüber. Denn was nützt der perfekteste, gestählteste Körper, wenn wir dabei vergessen das Leben in vollen Zügen zu genießen.

Und dazu gehört auch mal ein fauler Tag oder gar eine Woche auf der Couch ohne Sport, ein leckeres Eis, ein Stück Schokolade, ein Candle-Light-Dinner mit allem was dazu gehört. Und das alles, ohne Bestrafung danach, für diesen vermeintlichen Ausrutscher.

Bedanken wir uns lieber bei unserem einzigartigen Körper – den es in dieser Ausführung nur einmal gibt – dafür, dass er uns so zuverlässig durch’s Leben trägt und all’ die schönen Sünden verzeiht.

Das will ich leben! Aber auch vorleben für meine Tochter. Denn was hilft all’ das Reden von Selbst-Akzeptanz, wenn ich es selbst nicht hinbekomme. Und jetzt gönne ich mir erstmal ein leckeres Stück Schokolade auf der Couch….  😉

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Simone Jacob im PETER HAHN Magazin
(Foto: Simone, IG @simone_i_jacob)

Simone Jacob
ist Autorin, Regisseurin, Weltreisende, Mutter, Bildhauerin, Model und noch vieles, vieles mehr. Sie hat sich in ihrem Leben mehrfach neu erfunden und ist damit eine Art Lifestyle-Künstlerin. In ihrer exklusiven Kolumne für das PETER HAHN Magazin möchte sie Frauen dazu inspirieren, das Leben zu nehmen, wie es kommt, dabei stets positiv zu denken und auch dem Thema Alter und Altern entspannt entgegen zu sehen. Dabei hat sie jede Menge Tipps und Tricks für die perfekte innere Ruhe und Ausgeglichenheit im Gepäck.