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Die Sache mit dem gut gemeinten Rat-Schlag

Simone Jacob über die Kunst eines wohlgemeinten Rat-Schlags

Tatsächlich war ich früher eine von denen, die ihren Mitmenschen immer mit einem flotten Ratschlag zur Seite stand. Nur leider steckt in dem Wort Ratschlag auch der „Schlag“. Ein Rat kann schnell zum Schlag werden, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt.

Ich war so eine Rat-Schlag-Austeilerin. Es würde mich daher nicht wundern, wenn mich damals einige als besserwisserische Nervensäge empfanden. Ich erröte heute noch vor Scham, wenn ich daran denke, dass ich wirklich meinte alles besser zu wissen. Tatsächlich machte ich damit die anderen klein und mich groß.

Leider sagte mir das keiner. Die meisten Menschen sind viel zu höflich, um einem reinen Wein einzuschenken. Also verteilte ich meine hausgemachten Weisheiten weiter fröhlich in der Welt herum. Komisch fand ich nur, dass sich immer weniger Freunde mit mir treffen wollten. Erst in einem Persönlichkeits-Seminar bekam ich die ganze grausame Wahrheit um die Ohren gehauen. Seitdem halte ich mich mit Ratschlägen sehr zurück. Was nicht verhindert, dass ich selbst oft zum Opfer von Ratschlägen anderer werde.

Natürlich will ich damit nicht sagen, dass niemand mehr einen Ratschlag erteilen darf, nur eben nicht ungefragt und dann bitte ohne den „Schlag“. Ein wirklich achtsamer Rat im richtigen Moment, kann ein Segen sein und bei der Entscheidungsfindung helfen oder einem sogar die Augen öffnen.

Ich zum Beispiel neige zum Grübeln und das ohne System. Dinge des täglichen Lebens entscheide ich meist schnell und schmerzfrei. Ganz anders, wenn es um emotionale Entscheidungen geht: …ist er der Richtige, wie soll ich mit der gehässigen Nachbarin umgehen, ist es eine gute Idee mir einen Hund anzuschaffen? Manchmal verheddere ich mich dann in meinen Überlegungen. In solchen Lebenssituationen bespreche ich mich gerne mit Freunden und Bekannten und erhalte – ob gewollt oder ungewollt – einen Rat.

Klar, die meisten meinen es gut, aber manchmal ist ein Ratschlag einfach nur ein „Schlag“ in die Magengrube. Es ist ja so, der Ratgebende wird höchstwahrscheinlich nur zu etwas raten, was mit seinen eigenen Erfahrungen, Ängsten, Wünschen konform geht. Und die haben in den wenigsten Fällen etwas mit mir zu tun.

Ein Beispiel: Kürzlich hatte ich eine Anfrage für ein Wäsche-Shooting. Eine Bekannte gleichen Alters riet mir dringend davon ab. Sie warnte, ob ich mich lächerlich machen wolle und fand, dass es auf keinen Fall altersgerecht sei.

Was meinst Du, wollte mich meine Bekannte wirklich schützen oder verbarg sich hinter ihrer negativen Einstellung vielleicht sogar ein bisschen Neid, weil ich in meinem Alter dieses Angebot bekommen hatte? Tatsächlich schien mir, dass ihr Ratschlag mehr mit ihrem Körpergefühl als mit meinem zu tun hatte? Ich liebe meinen 59-jährigen Körper und fühle mich geehrt, dass ich für Frauen in meinem Alter stehen darf – auch oder gerade in Wäsche! Wir Frauen sollten auch im Alter sichtbar sein. Wen kümmern schon ein paar Falten und Pölsterchen. Mich jedenfalls nicht! Ich ließ mich also nicht vom Rat meiner Bekannten beeindrucken und machte die Kampagne! ;-). Das positive Feedback war übrigens großartig.

Wie auch immer… manchmal ist es schwer zu unterscheiden, ob ein Rat gut gemeint und hilfreich ist. Im Zweifel ist es besser die eigene Unentschlossenheit auszuhalten, als der vermeintlichen Gewissheit eines Ratschlags zu folgen. Das ist zwar anstrengend und kann quälend sein, führt aber letztlich dazu uns selbst besser kennenzulernen. Schließlich geht es auch darum unserem eigenen Gefühl zu vertrauen und nicht dem der anderen.

Ein weiterer wunderbarer Nebeneffekt: Wir lernen dabei „Nein“ zu sagen, die eigenen Grenzen zu erkennen und immun für die Reaktionen anderer zu werden.

Simone Jacob im PETER HAHN Magazin
(Foto: Simone, IG @simone_i_jacob)

Simone Jacob
ist Autorin, Regisseurin, Weltreisende, Mutter, Bildhauerin, Model und noch vieles, vieles mehr. Sie hat sich in ihrem Leben mehrfach neu erfunden und ist damit eine Art Lifestyle-Künstlerin. In ihrer exklusiven Kolumne für das PETER HAHN Magazin möchte sie Frauen dazu inspirieren, das Leben zu nehmen, wie es kommt, dabei stets positiv zu denken und auch dem Thema Alter und Altern entspannt entgegen zu sehen. Dabei hat sie jede Menge Tipps und Tricks für die perfekte innere Ruhe und Ausgeglichenheit im Gepäck.