Am nächsten Morgen erhalten wir ein traditionelles chinesisches Frühstück, das sich stark von dem uns bekannten Frühstück unterscheidet – es gibt kunstvoll gefertigte Spaghetti-artige Nudeln in kräftiger Brühe, eine äußerst interessante Erfahrung. Heute hoffen wir auf eine Verabredung mit unseren Ziegen und so steigen wir in unsere geländegängigen Jeeps.
Wir fahren über verlassene Autobahnen, um irgendwo im Nirgendwo „links“ abzubiegen, zuerst auf sandverwehten asphaltierten Nebenstraßen, um dann unvermittelt die Fahrbahn zu verlassen und Off-Road einer Fahrspur durch das Gelände zu folgen.
Unsere Fahrer kennen sich glücklicherweise sehr gut aus und behalten stets die Orientierung, was sicher nicht einfach ist hinsichtlich des vielen Sandes, der eher gleichtönigen Landschaft mit rudimentärem Niedrigbewuchs und dem Fehlen irgendwelcher Hinweisschilder. Unser Fotograf Wei Wang setzt sich bei geöffneten Türen auf die Ladefläche des Autos, um Bilder schießen zu können – und plötzlich sehen wir sie: die ersten Kaschmir-Ziegen!

Wir halten natürlich an, um die hübschen Tierchen abzulichten, aber die sind ziemlich scheu und laufen immer wieder weg. Wir sind uns nicht ganz sicher, ob sie uns auslachen… Da wir einen typisch deutschen Zeitplan haben, steigen wir also wieder ein und fahren weiter bis wir nach einer gefühlten Ewigkeit das erste bäuerliche Gehöft sehen. Endlich stoßen wir mal wieder auf Menschen, aber von den Ziegen leider keine Spur!
Wir treffen auf einen Bauern, der uns auf unserer Weiterfahrt zum nächstgelegenen Bauernhof begleitet. Aber auch dort werden wir enttäuscht – die Ziegen sind nicht auf dem Hof und werden an diesem Tag auch nicht zurückerwartet. Meine vermutlich typisch deutsche Planung erfüllt sich also nicht, aber darauf hatte mich mein Begleiter Li im Vorfeld bereits vorbereitet. Er kennt das Leben der Kaschmir-Bauern eben doch besser als ich.
Zurück in unseren Jeeps fahren wir weiter, in der Hoffnung unsere Ziegen zu sehen. Mittlerweile ist es Nachmittag und mit einer gewissen Nervosität frage ich wiederholt nach, wann wir denn nun die Ziegen zu sehen bekommen. Es wird eher ausweichend geantwortet.
Stattdessen bekomme ich von dem Bauern genaue Informationen zu seiner Herde und den Lebensbedingungen. Seine Herde umfasst etwa 200 Tiere, was einer durchschnittlichen Herdengröße entspricht. Die unzählig vielen Gehöfte, die sich in der Alshan der Zucht von Kaschmir-ziegen widmen, liegen weit auseinander und aufgrund der Tatsache, dass Kaschmir-Ziegen alles, aber auch wirklich alles bis auf die Wurzel auffressen, hat die Regierung von China beschlossen, dass pro Tier eine gewisse Größe an Fläche nachgewiesen werden muss.
Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Steppe überweidet wird. Für den Bauern, der uns begleitet, heißt das, dass sich seine Herde auf einer riesigen unübersichtlichen, weil hügeligen Fläche verteilt – da macht es tatsächlich wenig Sinn, die Ziegen zu suchen.
Ich muss mich also weiter in Geduld üben und merke mal wieder, dass hier ein völlig anderes Zeitverständnis herrscht.

Dann endlich erscheint in der Ferne der Leitbock – die Ziegen kommen. Gemächlich und vollkommen ohne Angst zottelt uns die Herde entgegen und überrascht stellen wir fest, dass sich das eine oder andere Schaf in die Herde geschummelt hat. Es ist ein wunderschönes Bild, das sich uns bietet und die Zeit scheint aufgrund der vollkommenen Ruhe, die die Ziegen ausstrahlen, stillzustehen.

Wie wird unser PETER HAHN Kaschmir gewonnen?
Für die Kaschmir-Bauern im Nordwesten Chinas beginnt mit dem Monat Mai eine sehr arbeitsame Zeit: die sogenannte Kaschmir-Ernte. Grundsätzlich kann die feine Unterwolle der Kaschmirziegen auf zwei Arten gewonnen werden: durch das Auskämmen mit einem speziellen Kamm oder durch das Scheren. Beide Vorgehensweisen haben Vor- & Nachteile. Bisher haben wir auf das Auskämmen der Wolle gesetzt, da so eine längere Faserlänge (ein Merkmal für hohe Qualität) erzielt werden kann. Künftig setzen wir bei der Gewinnung unseres Kaschmirs jedoch zunehmend auf das Scheren der Tiere, da das Auskämmen teilweise Schmerzen bei den Ziegen verursachen kann. Die daran angeschlossenen Sortier- & Reinigungsprozesse sind dann zwar aufwendiger, die Qualität des Premium-Kaschmirs leidet aber nicht merklich.
Genaue Vorschriften aus dem „The Good Cashmere Standard“ verpflichten unsere Kaschmirbauern die Tiere bei der Schur so schonend wie möglich zu behandeln. Ziegen werden außerdem erst dann geschoren, wenn der natürliche Fellwechsel bevorsteht. Auch ohne ihr Haarkleid finden die Ziegen dann in Ställen genug Unterschlupf um sich vor Sonneneinstrahlung und anderen Witterungsbedingungen zu schützen.

Da es mittlerweile Abend geworden ist, machen wir uns auf den Rückweg. Dankbar für die interessanten Einblicke in die Gewinnung von Kaschmir verabschieden wir uns. Nachdem Sie nun wissen, wie die exklusive Wolle gewonnen wird, möchte ich Sie einladen, in unserem nächsten Beitrag zu erfahren, nach welchen strengen Kriterien wir Kaschmir bewerten und wie es in leuchtenden Farben gefärbt wird.