Ich gebe zu, ich habe viele Jahre lang, es könnten sogar Jahrzehnte gewesen sein, selbst daran geglaubt – an die Modemythen, die sich in Frauenzeitschriften und später auch im Internet als „Stilregeln“ verbrämt tummelten!
Wer würde auch wagen, etwa Modejournalistinnen oder Stilberaterinnen zu widersprechen! Die müssen es doch wissen! Dann muss es doch stimmen, dass Streifen dick und dunkle Farben schlank machen … nicht wahr?
Und so wandelte ich in meinen späten Dreißigern – ich war ohnehin nie schlank gewesen und drei Kinder hatten mich noch etwas pummeliger werden lassen – fast ausschließlich in gedeckten, oft schwarzen Tuniken durch die Welt.
Bloß nichts anziehen, das meine Silhouette betonte und meine Rundungen zeigte! Das Hüftgold! Der Bauchspeck! Um Himmels willen! Das musste ordentlich „kaschiert“ werden. Könnte ja die Modepolizei ums Eck kommen und mir eine Verwarnung erteilen!
Insgeheim beneidete ich all die schlanken Frauen um die modischen Freiheiten, die sie hatten! Die trugen, was sie wollten – während ich mich Stilregeln unterwarf, die angeblich meine Pfunde versteckten, mir gleichzeitig aber auch meinen Spaß an Mode raubten, von Lebensfreude und guter Laune ganz zu schweigen.
Bis es mir eines Tages zu bunt wurde – das ewige Schwarz. Und ich auch keine Lust mehr hatte auf das Versteckspiel mit meinem eigenen Körper. Busen, Taille, Hüften – passte doch alles, war halt nur ein wenig… mehr. So what!
Interessanterweise stellten sich die Stilregeln, denen ich brav gefolgt war, plötzlich als wahre Modemythen heraus: Weder machten mich Streifenshirts, die ich nun entdeckte, dicker, noch hatten mich dunklen Tuniken jemals schlanker gemacht – wie ich mit etwas Abstand auf Fotos feststellte.
Und auch die Empfehlung von eher locker „umspielender“ Kleidung, um die Kilos nicht noch mehr zu betonen, erwies sich als Irrtum: Die zeltartige Kluft hatte mich erst recht aussehen lassen wie ein Tönnchen auf Beinen.
Als sich mein Stil von schwarzen Wallewalleklamotten hin zu figurbetonteren Kleidungsstücken wandelte, stellte ich mit Erstaunen fest: Oh, da war ja doch eine Taille! Warum nur hatte ich sie nie betont?
Und da war auch Figur, nur eben ein bisschen mehr davon. Und ja, vielleicht machten Streifen meine Brust tatsächlich ein wenig üppiger – aber was war das schon gegen den Charme, den ein Streifenshirt mit sich brachte?
Diese Erkenntnisse waren mit der Grund dafür, ein Modebuch zu schreiben, das im Frühjahr im Knesebeck-Verlag erschienen ist. „Die beste Zeit für guten Stil. Fashion for women. Not girls.“ heißt es und will Frauen ermutigen, ihren eigenen Modeweg zu gehen.
Weniger Regeln und Vorschriften, mehr eigene Modepersönlichkeit, die ruhig auch mal über die Stränge schlagen darf! Hey, es geht um Mode und den Spaß daran, nicht um eine Marsmission!
Statt reglementierenden Modemythen gibt es für mich inzwischen ein sehr entspanntes Mantra: Ich muss niemandem mehr etwas beweisen und nur noch mir selbst gefallen. Das heißt auch: Ich richte mich nicht nach der Mode, sondern meine Mode richtet sich nach mir. Das wünsche ich mir auch für die Leserinnen meines Buches: Nichts muss. Alles kann. Viel Spaß dabei!
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Susanne Ackstaller alias Texterella
ist Autorin, Texterin, Kolumnistin und seit 2009 die Bloggerin hinter texterella.de. Viele Jahre ihres Lebens hat sie damit verbracht, mit ihrer Figur zu hadern, und damit, dass sie nicht in sogenannte „Normalgrößen“ passte, weil sie dafür zu dick war. Geändert hat sich ihre Haltung erst, als ihr klar wurde, wie viel wertvolle Lebenszeit sie dem Thema Figur widmete und wie oft sie deswegen unzufrieden war – anstatt ihr Leben zu genießen. Im PETER HAHN Magazin erzählt sie, wie sie lernte, ihren Körper zu akzeptieren und sich samt ihrer Pfunde zu lieben. Tipps zum Thema Styling in großen Größen gibt es natürlich auch.