Offiziell mag der Sommer am 21. Juni anfangen – inoffiziell beginnt er dann, wenn ich zum ersten Mal Leinen trage. Leinen und Sommer gehören für mich zusammen wie … wie Urlaub und Meer, Erdbeeren und Sahne. Wie Aperol und Prosecco in einem Longdrink-Glas mit Eis, Orangenscheibe und Strohhalm. Nichts Schöneres als an einem bereits warmen Sommermorgen in ein Kleid aus kühlem Leinen zu schlüpfen – in der Gewissheit: Das bleibt so, den ganzen heißen Tag lang, schließlich ist Leinen atmungsaktiv und kühlt durch den Luftaustausch.

(Foto: Susanne, IG @textelle und Martina Klein, IG @stillsparkling_50plus)

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Wobei, ich geb’s zu: Leinen hatte über viele Jahre bei mir einen schweren Stand. Warum? Weil es knittert. Leider. Ist aber so. Sie kennen das: einmal kurz die Arme verschränkt, sich hingesetzt oder mit dem Auto zum Supermarkt gefahren – und schon ist man reif für den Steamer. Und kaum ist frau wieder glattgebügelt, geht das Spielchen wieder von vorne los. So schön Kleidung aus Leinen ist – sie faltenfrei zu bekommen (und zu halten!), ist die reinste Sisyphos-Arbeit: Kaum ist man mit dem Bügeln fertig, könnte man schon wieder von vorne anfangen.
Charakterstoff Leinen: für Frauen mit Persönlichkeit!
Mit dem Älterwerden erkannte ich dann allerdings: Falten und Fältchen sind nicht alles. Und vor allen Dingen nicht so wichtig. Falten, wurde mir bewusst, stehen für ein gelebtes Leben, für Persönlichkeit und Erfahrung. Und hier schließt sich der Kreis: Leinen ist ein Material mit Geschichte, Stolz und Charakter. Ein paar Knitterfältchen machen es sogar noch lebendiger, einmaliger. Zumal Leinen ein Material zum Pferdestehlen ist: unkompliziert, pflegeleicht und belastbar. Kleidungsstücke aus Leinen halten ewig und werden durchs Tragen noch schöner.

(Foto: Susanne, IG @textelle und Martina Klein, IG @stillsparkling_50plus)

(Foto: Susanne, IG @textelle und Martina Klein, IG @stillsparkling_50plus)
Seitdem mir das klar wurde, habe ich meine Leinen-Garderobe deutlich aufgestockt und trage die Knitterfalten mit Haltung und Lebensfreude. Im Wissen: Nichts ist fader und austauschbarer als Perfektion. Erst die kleinen vermeintlichen Makel machen uns zu dem, was wir sind: einzigartige Individuen. Das gilt für unseren Körper ebenso wie bei der Kleidung: von oben bis unten perfekt abgestimmt und durchgebügelt? Wie langweilig. Von daher: Seien wir mutig und stehen wir zu unseren Falten und Fältchen. Im Gesicht und beim Leinen. Lassen wir es ruhig – edel! – knittern. Im Wissen: Es ist ein Stoff mit Charakter. Und damit das perfekte Material für Frauen mit Persönlichkeit.
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Susanne Ackstaller alias Texterella
ist Autorin, Texterin, Kolumnistin und seit 2009 die Bloggerin hinter texterella.de. Viele Jahre ihres Lebens hat sie damit verbracht, mit ihrer Figur zu hadern, und damit, dass sie nicht in sogenannte „Normalgrößen“ passte, weil sie dafür zu dick war. Geändert hat sich ihre Haltung erst, als ihr klar wurde, wie viel wertvolle Lebenszeit sie dem Thema Figur widmete und wie oft sie deswegen unzufrieden war – anstatt ihr Leben zu genießen. Im PETER HAHN Magazin erzählt sie, wie sie lernte, ihren Körper zu akzeptieren und sich samt ihrer Pfunde zu lieben. Tipps zum Thema Styling in großen Größen gibt es natürlich auch.